In den letzten 10 Jahren sind im Landkreis Marburg-Biedenkopf zahlreiche Bioenergiedörfer entstanden. So werden Dörfer genannt, bei denen der überwiegende Teil der Haushalte an ein gemeinsames Biowärmenetz angeschlossen wird. Das Besondere an diesem Wärmenetz ist, das es den Beteiligten, die in der Regel in Form einer Genossenschaft organisiert sind, gemeinsam gehört.
Dieses gemeinschaftliche Eigentum verpflichtet diejenigen, die dafür verantwortlich sind (Vorstand und Aufsichtsrat), in besonderem Maße gegenüber der Gemeinschaft, trägt aber auch zu einer starken Identifikation bei, die man bei einem Wärmenetz eines ortsfremden Trägers wie z.B. einem Energieversorgungsunternehmen so sonst nicht findet. Als Wärmequelle dienten früher hauptsächlich Biogasanlagen, deren Abwärme entweder direkt ins Wärmenetz eingespeist wird oder deren erzeugtes Gas erst vor Ort mithilfe einer Kraft-Wärme-Kopplung in Wärme umgewandelt wird. Dies ist z.B. in den Ortschaften Stadtallendorf-Erksdorf, Rauschenberg-Josbach und -Schwabendorf der Fall. In anderen Orten wie z.B. Wetter-Oberrosphe oder Amöneburg-Erfurtshausen wird im Winter mit Holzhackschnitzeln zugeheizt. In Cölbe-Schönstadt ist Wärme aus der Holzabfälle-Verbrennung eines großen Sägewerkes die einzige Energiequelle.
Mit 13 vorhandenen Bioenergiedörfern und weiteren in Planung ist der Landkreis Marburg-Biedenkopf führend in Deutschland. Insbesondere die Dorfgemeinschaft wird durch die gemeinschaftliche Unternehmung sehr gestärkt, so dass das Zusammengehörigkeitsgefühl wiederbelebt wird und die Dörfer auch für neue Bewohner interessant werden. Im Laufe der Zeit wird der gemeinschaftliche Unternehmungsgeist auch auf andere Felder übertragen, wie z.B. Projekte zum Wohnen im Alter wie in Oberrosphe oder zur gemeinschaftlichen Elektromobilität wie in Schönstadt.
Diese Beispiele machen so Schule, dass immer mehr Dörfer sich auf den Weg begeben haben. So sind zuletzt Kirchhain-Kleinseelheim und Neustadt-Mengsberg zu Bioenergiedörfern geworden. Mit Rauschenberg gibt es sogar schon eine „Bioenergiestadt“ im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Für 5 weitere Dörfer bestehen Planungen, die entweder bereits in einer Machbarkeitsstudie vertieft wurden oder für die diese vorbereitet wird.
Der Weg zum Bioenergiedorf ist nicht immer eben, sondern öfters steinig. Zuerst müssen genügend Teilnehmende gewonnen werden, damit sich die Investition in ein gemeinsames Wärmenetz lohnt. Dies gelingt am ehesten, wenn die aktiven Personen aus dem eigenen Dorf kommen und von der Kommunalverwaltung unterstützt werden. Schwierigkeiten kann dann noch der Bau des Wärmenetzes selbst durch unvorhergesehene Gegebenheiten im Untergrund bereiten, die nur durch eine enge Zusammenarbeit der bautragenden Genossenschaft mit der Kommune gelöst werden können. Ist dies geschafft, ist der Weg frei für eine klimaschonende und nachhaltige Energieversorgung in Bürgerhand, die beispielhaft für das Gemeinwohl steht und auch kommenden Generationen eine Zukunft bietet.